Schmerz & Angst
Wie Schmerzerfahrungen sich auswirken
Lesedauer etwa 4 Minuten
Harry (der Name wurde geändert), ein fitter Mann Anfang 60, hatte einige Tage zuvor einen Termin vereinbart und saß nun in meiner Praxis. Er litt an Rückenschmerzen, die ihn schon seit einiger Zeit belasteten. Es war Frühsommer und in den letzten Tagen hatte er seinen Garten auf Vordermann gebracht. Er beschrieb seine Schmerzen als lästig und einschränkend, vor allem da sie immer wiederkehrten. Vor einigen Jahren hatte er auf Empfehlung einer Arbeitskollegin eine Thai-Massage ausprobiert, die er jedoch abbrechen musste, da sie zu schmerzhaft für ihn war.
Körpertherapie als Lösung
Ich bin Körpertherapeutin mit Schwerpunkt auf struktureller Körperarbeit. In meiner Praxis arbeite ich gezielt an Muskeln, Faszien und Gelenken um den Körper wieder ins Lot zu bringen. Strukturelle Körperarbeit basiert auf der Idee, dass lokale Probleme Auswirkungen auf den gesamten Körper haben können. Meine Arbeit zielt darauf ab, Verspannungen und Blockaden zu lösen, die durch physische, emotionale oder psychische Belastungen entstanden sind. Durch gezielte, oft tiefgehende manuelle Techniken werden die Strukturen des Körpers neu ausgerichtet. Spannungen werden abgebaut und die Beweglichkeit verbessert, was zur Linderung akuter und chronischer Schmerzen beitragen kann. Eine Behandlungsform, die die in Tiefe geht. Die Arbeit in der Tiefe kann für manche Patienten erstmal ungewohnt sein, doch sie ist darauf ausgelegt, den Körper von innen her zu verändern.
Individuelle Anpassung der Behandlung
Jeder Mensch hat seine individuellen Spielräume gegenüber der Intensität und Geschwindigkeit der Behandlung; das ist auch tagesformabhängig. Daher erkunde ich am Anfang, was geht und was nicht. Zu Beginn jeder Sitzung stelle ich mich dem Körpersystem meiner Patienten sozusagen über meine Hände vor: „Hallo, ich bin Diana. Ich bin hier, um zu helfen, und das ist die Art und Weise, wie ich es tue.“ Meist öffnet sich der Körper nach einiger Zeit und kann tiefere Behandlung willkommen heißen.
Die Herausforderung mit Harry
Bereits bei meinen ersten, sanften Berührungen nahm Harry innerlich eine ‚Hab-acht‘ Haltung ein. Schmerzen spürte er nicht, aber er erwartete und fürchtete sie. Diese innere Erwartungshaltung und die Anspannung blieben bestehen, und das war ungewöhnlich. Normalerweise registriert ein Körpersystem früher oder später, ob eine Berührung wohlwollend gemeint ist oder eine Bedrohung darstellt. Bei Harry war das jedoch nicht der Fall.
Schmerzempfindungen verstehen
Strukturelle Körperarbeit kann manchmal schmerzhaft sein. Meist in der Form von ‚Wohl-Weh‘: „Ja, es tut weh, aber es fühlt sich auch gut an. Bitte mach weiter.“ In Gegensatz dazu steht das ‚Warn-Weh‘, das ist mehr wie „Aua, gleich werde ich verletzt! Ich will hier weg!“ In der Körperarbeit streben wir maximal das ‚Wohl-Weh‘ an (nur falls Sie sich das gefragt haben).
Bereits bei leichten Schmerzempfindungen hielt Harry den Atem an und verspannte sich komplett. Sein Körper machte dicht.
Es ist normal, dass wir Menschen auf Schmerzempfinden mit Abwehr reagieren. Wir kennen das, wenn wir uns zum Beispiel auf den Zeh stoßen „Ahrrg“ – Erstarren, Luft anhalten, schmerzenden Fuß halten und herumzappeln - vielleicht auch ein bisschen Fluchen. Starker Schmerz ist selten willkommen. Bei Harry war allerdings die Angst vor dem Schmerz schlimmer als der Schmerz selbst.
Die Wurzeln der Schmerzangst
Harry erzählte, dass er als Baby oft unter schweren Mittelohrentzündungen litt, so schlimm, dass er schließlich am Ohr operiert werden musste. Damals durften Eltern ihre Kinder nicht begleiten um ‚Heimweh zu verhindern‘ – seinem Vater und seiner Mutter war es nur erlaubt ihr Kind durch eine Glasscheibe hindurch zu sehen. Ich mag mir kaum vorstellen, wie es für ein Baby sein muss, so schlimme Schmerzen zu haben, nicht verstehen zu können, was passiert und dann auch noch ohne jeden Trost und beruhigende Nähe sein zu müssen. Schmerz wird vor allem dann unerträglich, und das gilt für Kinder und Erwachsene, wenn er mit Gefühlen von Bedrohung, Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit verbunden ist.
Ich erklärte Harry, dass es normal ist, dass solche Erfahrungen Spuren im Körpersystem hinterlassen, die nicht einfach so verschwinden. Traumatische Erfahrungen werden im Körper gespeichert und ähnliche Erfahrungen oder solche die daran erinnern, lösen Stress und Angst aus. Der erste Schritt der Heilung besteht darin, diese Spuren früherer Erlebnisse anzuerkennen und zu lernen, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen.
Wissenschaftliche Grundlagen der Schmerzangst
Neurowissenschaftlichen Studien belegen, dass das menschliche Gehirn Schmerzreize in Zusammenarbeit mit den emotionalen Zentren verarbeitet. Diese Verbindung kann dazu führen, dass Schmerzen, die eigentlich harmlos sind, als gefährlich wahrgenommen werden. Das Gehirn verknüft sie mit früheren traumatischen Erlebnissen. Solche Erfahrungen werden im Körper gespeichert, ein Phänomen, das ‚somatische Erinnerung‘ genannt wird. Dies erklärt, warum Menschen, die in der Vergangenheit intensiven oder überwältigenden Schmerzen ausgesetzt waren, später mit starker Angst auf ähnliche Reize reagieren können.
(Quelle: Peter Levine & Maggie Philips ‚Vom Schmerz befreit‘, Kösel 2013, 2024)
Der Weg zur Veränderung
Harry entschloss sich zu weiteren Sitzungen um diese Schmerz-Angst-Verbindung zu erkunden und zu verändern.
Unser gemeinsamer Weg begann damit, dass Harry die Kontrolle über die Tiefe und Geschwindigkeit meiner Berührungen übernahm. Ich versicherte ihm, dass er jederzeit die Behandlung abbrechen oder anpassen könnte, wenn er sich unwohl fühlte. Dieser Gedanke half ihm, Vertrauen zu fassen und die Angst handhabbar zu machen.In den folgenden Sitzungen arbeiteten wir daran Harrys Körperwahrnehmung zu schärfen. Er lernte, seine körperlichen Empfindungen während der Behandlungen differenzierter wahrzunehmen und zu beschreiben. So konnte er aktiv am Behandlungsprozess teilnehmen und seine eigenen Grenzen respektieren und wahren. Gezielte Atemübungen halfen ihm, mit den Empfindungen angemessen umzugehen und präsent zu bleiben. Schrittweise lernte er, dass nicht jeder Schmerz Gefahr bedeutet und dass er die Kontrolle über seinen Heilungsprozess hat.
Mit der Zeit konnte Harry schließlich tiefere Behandlungen ohne Angst zulassen, und seine Rückenschmerzen verbesserten sich. Er erlebte einen besseren Kontakt zu seinem Körper, mehr Vertrauen in seine Empfindungen und eine neue Selbstbestimmung.
Vertrauen aufbauen: ein zentraler Aspekt der Schmerzangst-Therapie
Die Geschichte von Harry zeigt wie frühere Schmerzerfahrungen im Hier und Heute wirken können. Sie erzählt auch, dass die Behandlung von Schmerzen nicht nur körperliche sondern auch emotionale und psychische Aspekte berücksichtigen muss. Der Schlüssel liegt darin, die Kontrolle über die Intensität einer körperlichen Behandlung zu erlangen und Vertrauen aufzubauen.
Informieren Sie sich über Ihre Möglichkeiten
Vielleicht erkennen Sie sich in Harrys Geschichte wieder oder haben ähnliche Erfahrungen mit Schmerz und Angst gemacht. Es muss nicht dabei bleiben – auch Sie können einen neuen Umgang mit Ihrem Körper und Ihren Empfindungen finden.
Wenn Sie mehr über strukturelle Körperarbeit erfahren möchten oder überlegen, ob diese Methode für Sie geeignet ist, lade ich Sie herzlich ein, Kontakt mit mir aufzunehmen.
In einem unverbindlichen und kostenlosen Telefongespräch klären wir Ihre Fragen und besprechen gemeinsam, wie ich Sie auf Ihrem individuellen Weg unterstützen kann.